Donnerstag, 30. März 2017

Welcome to the machine - Balaton Szupermarathon 2017

It's just one loop! - Dieser Satz ist so ungefähr der einzige, den ich aus der vielminütigen, engagierten Ansage des Event-Sprechers unmittelbar vor dem Start zur 1. Etappe des Balaton Szupermaraton, die natürlich zu 95% auf Ungarisch gehalten wird, herausfiltern kann. Da hat er wohl recht: It's just one loop! Wenn auch eine recht lange Runde. 193km um den Plattensee, allerdings verträglich verteilt auf 4 Tagesetappen von 43 bis 53km Länge. Damit steht die Veranstaltung im krassen Gegensatz zu der ansonsten ähnlich gelagerten Unternehmung exakt vor einem Jahr im Ostfriesischen. Nur die Höhenmeter bewegen sich in ähnlichem Rahmen, denn sie fehlen hier wie da fast vollständig.


It's just one loop!
Das erinnert mich spontan an diesen bekannten Ausruf von Neil Young bei einem seiner Konzerte: It's all one song. It all sounds the same! Und tatsächlich wird es für mich ein Lauf wie aus einem Guß werden - the water always to your right! - die Kilometer werden sich voneinander kaum unterscheiden, jede Etappe kaum von der vorherigen. Aber das alles kann ich in diesem Moment natürlich noch nicht wissen.

Vielmehr registriere ich erst einmal meine spontane Zuneigung zur Melodie dieser doch recht exotischen Sprache, die einen als West-Europäer ähnlich hilflos dastehen lässt wie das Türkische. Rechts, links, Mann, Frau - wenn es keine Piktogramme gibt, sondern nur Text, ist man komplett verloren. Nein, nicht ganz. Immerhin sind vier wichtige Wörter sofort erlern- und sogar nachsprechbar: Ja. Nein. Wein. Bier. Jó. Nem. Bor. Sör. Bei Danke fängt es aber - genau wie im Türkischen - bereits an, recht kompliziert zu werden - und ich arrangiere mich für die Tage mit der etwas legeren Kurzform köszi.

Eine ehrliche Reise liegt hinter mir. Nicht 2 Stunden Flug, die jede Entfernung eindampfen lassen und jeden sich unterwegs allmählich vollziehenden Wandel kaschieren. Per rumpeligem Nachtzug in die Puszta (oder jedenfalls an ihren Rand). Das summierte sich (mit großzügigen und auch tatsächlich erforderlich werdenden Umstiegs-Pausen in den Metropolen Wien und Budapest) auf letztlich genau 16 Stunden Wegzeit, allerdings wirklich von Haus zu Haus gemessen. Die Hälfte davon war Leidenszeit auf der mit 1,80m deutlich zu kurzen Pritsche im immerhin gut klimatisierten 6er-Abteil. Und es gibt sie noch, die verschrobenen Schlafwagenschaffner, die abends dein Ticket einsammeln, zum Abschließen der Abteiltür raten und dir morgens ungekämmt 2 absolut indiskutable Pappbrötchen mit einem immerhin heißen Instant-Kaffee servieren. Die Geste zählt. Du hattest also ein Frühstück. Die Sonne geht auf und wir fahren hinein. Ungarn - hier bin ich (zum ersten Mal) !

In Kelenföld, einem der zentralen Umsteige-Bahnhöfe von Budapest, gerät man in eine Zeitmaschine: Die Epochen vor und nach dem Fall des Eisernen Vorhangs (auch wenn wir jetzt eigentlich bereits wieder vor der Phase eines neuen Zaunes stehen) existieren - nicht nur hier - zeitlich parallel und sind oft von einem Punkt aus zu betrachten. Schaue ich von meinem Bahnsteig nach Westen, sehe ich einen hypermodernen Retorten-Bahnhof im Stile von Kassel-Wilhelmshöhe. Drehe ich mich auf der Stelle um 180° nach Osten, wandert mein Blick über die ruinenhafte Fassade des alten Bahnhofsgebäudes, von der quadratmeterweise der Putz abgeblättert ist und die hölzernen Verzierungen weggammeln. Oder ist das hier ein Freilichtmuseum? - Nein, das Klo-Häuschen ist in Betrieb und eben 'das' Klo von Kelenföld. Das Männerklo ist geschlossen. Aber das Frauenklo, wenn auch nicht in einem besonders guten, aber immerhin benutzbaren Zustand. Das in dem Schuppen hausende Männchen hat einen Zahn, hört Klassik und kassiert 150 Forinth. Ja, wir sind jetzt im Monopoly-Land und könnten ziemlich ungehemmt mit Tausendern um uns werfen.

Budapest-Kelenföld, alt & neu
besser als nichts


Nur noch eine gute Stunde und gute 100km in einem Sechziger-Jahre-Style-D-Zug trennen mich vom Start- und Endpunkt der läuferischen Expedition rund um den Balaton am nordöstlichen Seeufer in Siófok (s wird immer wie sch ausgesprochen, außer sz = s, daher auch Szupermaraton). Dafür sind gerade mal 7.60 Euro zu berappen (oder eben 2340 Forinth). Im Taxi vom Bahnhof zum Hotel gelten dann deutsche Preise (3km = 3000ft). Dafür erhält man aber vom freundlichen, fast fließend Deutsch sprechenden Fahrer eine Stadtrundfahrt mit allerlei Erläuterungen. Erster Eindruck: Diese Stadt ist geschlossen, zumindest in diesem ufernahen Bereich. Eine reine Sommerferien-Oase im ausgehenden Winterschlaf. Kein Restaurant, kein Hotel, keine Bude - und von all diesen gibt es reichlich! - hat geöffnet. Außer eben das Hotel Magistern, gleichzeitig Veranstaltungszentrum, wie der Bahnhof Kelenföld ein (teilweise) aus der alten in die neue Zeit hinübergeretteter (Platten-)Dinosaurier mit 10 Stockwerken, aber zweifellos in traumhafter Lage 50m neben dem Seeufer. Ich bekomme ein Zimmer im 6. Stock - mit Balkon. Wow - dieser See ist definitiv riesig, was soll das geben? Der Teppichboden im Zimmer - bzw. die Stellen, an denen er noch existiert - stammt definitiv aus der alten und das schicke Badezimmer definitiv aus der neuen Epoche (Uli erzählt mir später, dass das letztes Jahr noch anders war und bedauert die jetzt fehlende Badewanne).

Wir werden die ganze Veranstaltung über immer an diesen Typus Hotel gefesselt sein - große, objektiv häßliche, merkwürdigerweise völlig überheizte Betonburgen, nachträglich versuchsweise etwas aufgehübscht mit Spa- und Wellness-Gedöns, gleichwohl die einzigen Möglichkeiten, zu dieser Jahreszeit die Hunderte Teilnehmer und Begleiter aufzunehmen. Aber hier ist ja auch kein Urlaub i.e.S. zu verbringen, sondern es sind eher lebenserhaltene Maßnahmen wie Ernährung und Schlaf gefragt. Und diese Anforderungen erfüllen sie uneingeschränkt.

Nach einem erfreulich auswahl- und umfangreichen und nicht in allen Komponenten durch tierische Komponenten verunreinigten Abend-Buffet und dem Zusammentreffen mit den ersten deutschen Teilnehmern (mit denen man auch in der Heimat schon manch Runde geschlurft ist) geht es trotz des späten Starts zur 1. Etappe (10.45h) recht früh auf's Zimmer. Poldi gibt seinen Abschied, auf einem echten Röhren-TV. Sein Jahrhundert-Tor hab ich aber bis heute nicht gesehen...

Blick abends vom Hotel-Balkon in Siófok auf die markante Halbinsel im See


Nach den Vorhersagen stehen uns mindestens 3 trockene, frühlingshafte Tage bevor, wobei gleich der erste der wärmste werden soll. Insofern bin ich für die morgige Hauptwindrichtung SW recht dankbar, denn das bedeutet Gegenwind, also Kühlung. Ansonsten zeichnet sich die erste Etappe neben ihren gut 48km durch eine unglaublich geringe Komplexität aus: Es geht fast wirklich schnurgerade und topfeben am Seeufer entlang bis nach Fonyód. Das bedeutet (zunächst) Gefahr einer äußerst uneinheitlichen, einseitigen Bräunung. Etappenorte unterwegs sind Balatonföldvár, Balatonszárszó, Balatonszemes, Balatonöszöd, Balatonlelle, Balatonboglár. Alles klar? In diesem Stil geht es um den ganzen See. Aber wird das als Ablenkung ausreichen? Und jeder, der schon mal einen wirklich flachen Ultra gelaufen ist, weiß, dass sich das mit der Dauer anstrengender darstellen kann als ein leicht welliges Profil, bei dem man abschnittsweise mal etwas mehr tun muss, sich dann aber auch zum Ausgleich kurz eher passiv rollen lassen kann. Auf einer flachen Strecke muss aber jeder Meter aktiv erlaufen werden.

Was kennzeichnet die Strecke grundsätzlich sonst noch? - Nun, sie geht zu 80% durch besiedeltes (aber wie gesagt aktuell nicht unbedingt bewohntes) Gebiet (Ferienhäuser jedweden Baustils und -zustands). Das bedeutet, dass spontane Klogänge relativ schnell zu einem Problem werden können und der Abwicklung dieses Themenbereichs vorab im Hotel besonders große Bedeutung zukommt. Allerdings gibt es bei einigen VPs auch Dixies. Aber erfahrungsgemäß muss/kann man an diesen Stellen dann ja nicht. - Der Balaton wird insgesamt so ufernah wie möglich von einer Bahnstrecke umrundet. Logisch, dass wir uns immer in unmittelbarer Nachbarschaft dieser Gleise befinden werden. Sie definieren einerseits die größtmögliche Flachheit der Strecke und andererseits irrsinnig lange Geraden (die ich ja inzwischen innig liebe, vor allem, weil die Konkurrenz dort meist mit dem Fluchen anfängt, was sie primär schwächt). Und machen natürlich mehrere Bahnübergänge pro Tag erforderlich. Es gibt eine offizielle Regelung, dass man sich ggf. bei Wartezeiten "ausstempeln" kann. Wir haben recht ungewohnte Zeiterfassungs-Chips (allerdings von der vom TU oder Mauerweg bekannten, sehr zuverlässigen Fa. SportIdent), die man am Start und Ziel in kleine Pseudo-Steckdosen halten muss, also keine Funkerfassung im Vorbeilaufen. Solche Kästchen soll es auch an den Bahnübergängen geben. Ich sehe keine, habe aber auch GsD nicht ein einziges Mal eine Wartezeit und sehe das sowieso ganz entspannt. Dass es am Ende nach 193km tatsächlich um Sekunden gehen könnte, hätte mir vorher keiner erzählen dürfen. Aber: Hinterher ist man immer schlauer und hätte ich mir meinen einzigen Pinkelstopp in den 4 Tagen verkniffen, wäre der AK-Sieg meiner gewesen. Wirklich verrückt!

Tag 1
Wir traben also los. Unmittelbar auf der sonnigen Ufer-Promenade. Das grünblaue, klare Wasser kühlend neben uns geht der Blick hinüber zum von Hügeln gerahmten Nordwest-Ufer, wo wir übermorgen unterwegs sein werden. Kaum vorstellbar, dass dieser See, der etwas größer als der Bodensee ist, nirgends über 3m und im Mittel weniger als einen Meter tief ist. Insgesamt gehört dann das Laufen direkt am Wasser leider eher zur Ausnahme, meist geht es auf ruhigen Sträßchen durch die Ferienhaus-Siedlungen oder auf Radwegen durch die Uferwälder oder Schilfgürtel. Die Karawane der Begleitfahrzeuge - etliche Fahrräder, aber noch mehr Autos - folgen uns, insgesamt aber weniger störend als eine willkommene Abwechslung bietend. Täglich sind einige Hundert Läufer auf den Beinen, neben dem eigentlichen 4-Tage-Solo-Etappenlauf gibt es auch noch Wertungen von Lauf-Paaren, 3er-Staffeln, Einzeletappenläufern, und einem getrennten Halbmarathon am 2. und einem getrennten Marathon am 3. Tag. Zum größten Teil handelt es sich bei den Teilnehmern um Einheimische. Von den lt. Startliste 312 in meiner Wertung Gemeldeten sind nur 44 Ausländer, und von diesen 17 Deutsche, und von diesen fast alle  in meiner AK (hier gibt es nur 10-Jahres-Klassenwertungen, also für mich 50-59). Wie immer.


Nach wenigen Kilometern beginne ich mir leichte Sorgen zu machen: Die Uhr zeigt eine kumulative pace von 5:15min/km an. Beim Baltic Run letztes Jahr (5 * 65km) war ich in 5:45 bis 6:00 unterwegs, bei der Ostfriesen-Serie (4mal Marathon) in 5:20 bis 5:30. Das soll hier ja kein Geballer werden, sondern ein "ruhiger Aufbau-Wettkampf". Schwupps, während ich so grübele, zeigt die Uhr schon 5:12. Und so geht es weiter. Ich atme kaum, bleibe bei den VPs (alle 5-8km) sogar kurz stehen, und trotzdem fällt die pace weiter bis auf 5:09. Kann das gutgehen? Für heute wohl schon, aber was ist mit den Folgetagen? -  Nicht mal die Rauchschwaden von den zahlreichen Gartenfeuern, die über die Strecke wehen, können mich ausbremsen. Ich halte einfach die Luft an, wirklich!

jetzt muss der Öppel noch in die Dose!
Im Ziel in Fonyód nach 48.3km in 4:10:00h fühle ich mich ziemlich surreal - völlig entspannt und unangestrengt. Es gibt beruhigenderweise, wie bei SportIdent gewohnt, sofort einen Quittungs-Bon über die Zeiterfassung in die Hand und (wie an den Folgetagen auch) eine dicke Versorgungstüte mit Süßem (Original Balaton-Riegel!), Salzstangen, Frischem (Apfel, Banane) und sogar einem echten Bier. Das ist mal 'ne Ansage!


Ich setze mich in die Sonne auf eine Parkbank und finde einfach nichts, was in diesem Moment besser sein könnte. Wenn jetzt noch der Rücktransfer nach Siófok (wir übernachten nochmal im selben Hotel, also auch kein Stress mit dem Einchecken etc.) einigermaßen zügig klappt, bliebe nichts zu wünschen übrig. Zwei äußerst nette Dispatcher (Namen leider nicht erfragt) kümmern sich heute und an den Folgetagen professionell und individuell um die Verteilung der Finisher auf die Busse, trotzdem dauert es doch fast eine Stunde, bis der erste 50-Sitzer seine Fahrt aufnehmen kann. War ich so weit vorne im Feld oder haben die Schnellen keinen Bus gebucht? So sind wir erst um 17:30h wieder in Siófok, also alles in allem doch ein recht langer Tag für die vergleichsweise kurze Laufzeit.

Beim Abendessen, das sich GsD nahtlos an die Dusche bereits ab 18h anschließt, findet sich dann der "deutsche Tisch" um Uwe, Uli, Beate, Sandor & seine Radbegleiter (aus dem kältesten Dorf Deutschlands) und mich allgemein gut gelaunt zusammen. Das Bier ist zu preiswert, um es auszuschlagen, das Buffet lässt wie gesagt auch für Ernährungsspezialisten wie mich keine Wünsche offen. Die aushängenden Ergebnislisten werden studiert: Platz 5 für mich in der AK, wobei der Erste genau 10min Vorsprung herausgeholt hat und die anderen wesentlich enger vor mir liegen. Aber hinter mir klaffen auch nicht gerade große zeitliche Lücken und so wird es morgen Abend mit einiger Wahrscheinlichkeit ein neues Tabellenbild geben. So gemütlich es auch ist - dies hier ist ein Wettkampf und kein Trainingslager, also ab in die Koje - oder zumindest in die Horizontale darauf.

Tag 2
Es ist immer wieder spannend, welchen Fehler man sich als nächsten bei einem Ultra, und sei er noch so kurz, leistet. Ich habe heute bei den Wetterdaten geschlampt, irgendwie vorausgesetzt, dass alles so wie gestern sein würde, also schulterfrei / Spaß dabei. Im Prinzip stimmt das auch, und wir starten ja auch erst wieder um 10:30h, nur der Wind, der Wind, das himmlische Kind, der hat gedreht und weht heute sehr frisch aus Norden, also direkt über das Wasser, und noch vor wenigen Wochen war der Balaton komplett zugefroren... Man hat zwar neben dem Hauptgepäck, das heute nunmehr mit uns nach vorne wandert (allerdings auch nicht direkt in den Zielort Szigliget, sondern nach Keszthely am äußersten Westende des Sees, dass wir nach 33km passieren werden - wir müssen am Ende also wieder Bus fahren...), noch einen gesonderten Start-/Ziel-Beutel. Aber in dem steckt heute bei mir keine Windjacke und so schlottere ich die gute Stunde von der Busankunft am Start (Zielort von gestern) bis zum Startschuß ganz gehörig. Mehr oder weniger in letzter Minute entscheide ich mich, trotz Sonne doch nicht wieder das Singlet zu wagen. Als Alternative hab ich dummerweise nur ein schwarzes Langärmelteil dabei (und keine Armlinge), das könnte natürlich zu warm werden, aber im Zweifelsfall besser schwitzen als frieren.
Im Gegensatz zu gestern, als es noch einen initialen Massenstart ohne Chip-Aktivierung gab (also gleiche Startzeit für alle), wird ab jetzt grob in der Reihenfolge der bisherigen Wertung gestartet und dabei in mehreren Startgassen der Chip im Vorübergehen aktiviert, so dass das Feld schön entzerrt auf den Weg kommt. Von der Distanz her steht heute die Königsetappe an, mit knapp 53km immerhin wirklich ein kleiner Ultra, noch zudem mit einer ausgewachsenen Bergankunft unterhalb der riesigen Festung von Szigliget.

Ich bin froh, als es endlich losgeht und Aussicht auf's Warmwerden besteht. An der Charakteristik des Laufens ändert sich zunächst nicht viel: flach, lange Geraden, Bahnübergänge. Das verleitet zur Unachtsamkeit oder gar zum Einschlafen. Dabei ist der Asphalt des teilweise recht maroden Balaton-Rundradwegs, dem wir wann immer möglich folgen, häufig durch unterquerende Baumwurzeln aufgewölbt. Perfekte Stolperfallen! Einen Schweden erwischt es leider heftig und er darf Tag 3 und 4 mit eingegipstem Handgelenk vom Streckenrand aus verfolgen. - Aber ich halte die Konzentration bewusst hoch, auch was die Ernährung unterwegs angeht. Ich habe einen groben Plan, an welchen VPs (die grundsätzlich Abstände zwischen 5 und 8km einhalten und alles Erforderliche anbieten) ich meine 3 mitgenommenen Gels einwerfe. Ansonsten fülle ich dies giftig-blaue Powerade (was mir offenbar gut bekommt!) in meine kleine Handflasche (und verzichte fast vollständig auf Cola), und nehme an jeder Station ein paar Salzstangen, that's it. Hat gestern funktioniert, und funktioniert heute wieder.

Ziemlich genau nach der Hälfte der Distanz nimmt der Streckenverlauf am südwestlichen 'Ende' des Sees eine scharfe Wendung aus der westlichen auf eine nördliche Richtung. Und wir stehen damit plötzlich direkt im Wind und mit dem bisherigen geruhsamen Dahintraben ist es schlagartig vorbei, zumal das Gelände nun auch erstmalig leicht wellig wird. Blick zur Uhr: Kann ich die bisherige Durchschnittspace halten? - Stimmt, das habe ich ja noch gar nicht erwähnt, da steht seit km10 heute eine doch recht erstaunliche 5:06 auf dem Display! - Seit vielen Kilometern ist ein Läufer in Sichtweite um mich rum, mal bin ich 20m vorn, mal er. Nach der Gesichtsfurchentiefe durchaus ein Kandidat für meine AK. Läuft wie ein Uhrwerk. Typ HB-Männchen: Klein, leicht, kein Gramm Fett, eigentlich auch keine sichtbaren Muskeln. In diesem Moment weiß ich noch nicht, dass es Zoltán, einer meiner 2 Konkurrenten für das AK-Podium ist, aber ab dem nächsten Morgen kennen wir uns dann... Jedenfalls ist er heute und auch noch mal am letzten Tag der Garant dafür, dass ich nicht ins Bummeln komme. Trotz Gegenwind und Wellen bleibt die pace bis ins Ziel also bei 5:08.
Meine heutigen 5km-Splits:
25:44 - 25:22 - 25:27 - 25:15 - 25:30 - 25:48 - 25:50 - 25:33 - 25:32 - 26:05
Welcome to the Machine.

Zoltán zufällig gerade mal hinter mir, oft war es auch umgekehrt

Im Ziel unterhalb der Burgruine hat sich die Sonne leider hinter einer dünnen Wolkendecke verkrochen und der nach wie vor recht frisch wehende Wind sorgt dafür, dass man schnell zu frösteln beginnt. Ich orientiere mich also zügig Richtung Transfer-Bus. Das erwähnte Team mit den Bus-Listen erwartet mich schon und man gibt mir zu verstehen, dass man bemüht sein wird, einen 9-Sitzer-Van so schnell wie möglich zu füllen und vor den großen Reisebussen auf den Weg zu schicken. Das ist natürlich doppelt genial, denn 1. dauert es nicht so lang und 2. geht das Check-In im Hotel auf diese Weise natürlich ebenfalls deutlich schneller über die Bühne. Diesmal lande ich zwar nur im 1. Stock, genieße aber dennoch wieder einen ziemlich großartigen, ungestörten Blick auf den See. Und hier hat man sich löblicherweise bei der Grundsanierung des Etablissements dazu entschieden, auch die Badewanne zu erhalten, so dass es ein sehr wohltuender Vor-Feierabend wird.
Von deutschen Kollegen daheim an den Geräten erfahre ich dann bald, dass ich nunmehr um 40sec vor dem 3. in der AK (Zoltán) liege, aber inzwischen um 14min hinter dem nach wie vor führenden László. Positive Interpretation: Ich war heute nur noch 4min langsamer als er und nicht mehr 10 wie gestern. Ist mir aber auch ehrlich gesagt ziemlich egal, so lange es weiter so läuft wie bisher, nämlich super. Keinerlei muskuläre oder orthopädische Handicaps, maximal 2 Zehennägel sehen nicht wirklich gut aus, aber das taten sie auch bereits zu Beginn der Unternehmung nicht.


Tag 3
Ohnehin als kürzeste Etappe mit 45,2km angesetzt, muss die Distanz am 3. Tag um weitere 3km reduziert werden. Grund dafür sind umfassende Bauarbeiten im Zielort Balatonfüred. Also genau "nur" ein Marathon. Aber Vorsicht: Falle! -
Der Startpunkt liegt heute nicht am Ziel von gestern, sondern einige Kilometer weiter Richtung Osten in Badacsony. Auf der Fahrt dorthin erkenne ich auch den Grund dafür: Hier zieht sich eine sumpfige, schilfüberwucherte Bucht des Sees weit landeinwärts, und die ufernächste Trasse ist die der Hauptstrasse, die hier noch nicht einmal von einem Radweg flankiert wird. Eine gute Entscheidung der Veranstalter, uns diesen kurzen Abschnitt zu ersparen, auch wenn dadurch die lückenlose Umrundung des Sees verhindert wird. - Am Startpunkt neben einer Tankstelle ist die Hölle los, denn heute ist Samstag und es findet ein gut besuchter, begleitender Solo-Marathon statt (der sich logischerweise nun die komplette Strecke mit uns See-Umrundern teilt). Die unverbrauchten Recken gehen aber eine halbe Stunde vor uns auf die Piste, so dass es zu keinen besonderen Stockungen unterwegs kommen dürfte. Nach der Verabschiedung der täglichen Frühstarter (Teilnehmer, die am Vortag erst innerhalb von 15min vor dem cut off ankamen) begebe ich mich auf einige lockere Einrenk-Runden auf dem Parkplatz und treffe dabei auf Zoltán, der sehr offen und sympathisch ist und gut englisch spricht. Intuitiv schätze ich ihn als den Stärkeren von uns beiden ein, auch wenn er 3 Jahre älter ist (und damit eigentlich in die M60 gehört, aber wir haben hier internationale, also am Geburtstag orientierte AKs). Mann wird sehen. Den AK-führenden László kenne ich bis dato noch nicht (nur seine Start-Nr. 305, evtl. taucht die heute ja irgendwann mal auf ...).
Erneut bin ich ehrlich ziemlich überrascht, als ich nach 2, 3km eine pace von unter 5 auf der Uhr sehe, die dann auch auf den folgenden Kilometern Bestand hat. Ich ergebe mich wie an den Vortagen ansatzweise mutig meinem Schicksal und bremse mich nicht künstlich aus. Ich bin vor Zoltán gestartet und sehe ihn nicht, laufe also einfach mein Ding runter. Ich nehme die hübschen, angenehm - weil klein und bescheiden - daherkommenden Kirchlein in den Dörfern wahr, schaue nach links hinauf in die bewaldeten Hügel, auf denen es mehrere verlockende Aussichtstürme in offener Holzbauweise gibt, die bestimmt eine überragende Aussicht bieten, und passe auf, dass ich nicht in eine spontan aufgerissene Beifahrertür eines der heute wegen des Marathons noch zahlreicheren Begleitfahrzeuge donnere.

"Hast Du die Raketen und Panzer heute gesehen?", werde ich abends gefragt.
"Nein!", antworte ich wahrheitsgemäß.

Es dauert nicht lang, bis man auf die Langsamsten des Solo-Marathons aufläuft. Bekanntermaßen macht einen so etwas auch nicht langsamer. Und dann sehe ich vorne plötzlich diesen Läufer, der ein aussichtsreicher Kandidat für die Nr. 305 ist. Er trägt seine Startnummer ordnungsgemäß vorne und so bleibt mir, um letzte Gewissheit zu erhalten, nichts übrig als ihn zu überholen, was bestimmt 3km in Anspruch nimmt. Tatsächlich - er ist es! - Ich ziehe bei km27 vorbei und stelle triumphierend fest, dass ich jetzt 1. AK in der Tageswertung bin. Denn Zoltán (#236) muss hinter mir sein. Dies ist so eine Art 'point of no return' für mich: Wenn Du vorbei gegangen bist, solltest du auch vorne bleiben, wenn du dir nicht eine arge Blöße geben willst. - Und vielleicht liegt in der Konzentration auf diese Gedanken um Positionen und mögliche Rennausgänge auch der Grund, dass ich eigentlich wichtigere Aspekte, wie z.B. die Ernährung, heute etwas vernachlässige. Insbesondere fehlt mir wohl das Salz (kaum Salzstangen gefuttert). Jedenfalls fühle ich ab km35 doch merklich den Mann mit dem Hammer sein Werkzeug über mir schwingen, muss also erstmals kämpfen, die pace annährernd zu halten. Und dann rauscht ohne jede Vorankündigung Zoltán bei km38 an mir vorbei. Ich bin völlig überrascht und habe keine Chance, ihm zu folgen. Ultra-Fehler Nr. II: Ich war davon ausgegangen, dass ich ihn heute nicht (mehr) sehen würde, und hatte nur 'Angst' gehabt, dass die 305 mich noch einmal einholt. Ich hatte mich an einem Szenario ausgerichtet, dessen Eintreten in keinster Weise gesichert war. Eigentlich peinlicher Anfängerfehler, schadet aber nicht, wenn er ab und zu mal wieder passiert.

Im sonnigen Ziel wird immerhin noch eine glatte 3:31h für mich verbucht, eine Marathon-Zeit, die ich in letzter Zeit auch nicht jeden Tag gelaufen bin, und erst recht nicht mit 100km aus den Vortagen in den Beinen. Die Marathon-Durchgangszeiten am 1. und 2. Tag waren 3:38h und 3:35h, und so platt, wie ich jetzt hier auf der Wiese liege, ist eines klar: Die wird morgen, wenn es noch einmal über 50km gehen wird, nicht noch einmal gesteigert werden können.

Diesmal liegt das Hotel 15km voraus in Balatonmádi. Ich sitze wieder im 1. Shuttle und darf mich dann fast im Himmel wähnen - 10. Stock! - geniale Aussicht. Wieder völlig überheizte Bude, allerdings auch direkte Südseite. Ich tanze splitternackt vor dem Fenster rum, blicke auf den modellbahnmässig unter mir liegenden Bahnhof und freue mich auf ein wirklich entspanntes Bad in einer dieser seltenen Wannen, in denen auch ich meine Gräten mal komplett ausstrecken kann, als es klopft. "What's your name, Sir?" - "aschu." - "Ok, here is your passport!" Augenscheinlich leicht unterzuckert hatte ich den wohl auf dem Weg vom Check-in zum Zimmer verloren...

die 3 Lauftage haben bereits Spuren hinterlassen
Per SMS trudeln ungefragt die neugierig erwarteten Infos ein: Zoltán liegt wieder 3:39min vor mir und hat mir heute somit auf den wenigen Kilometern noch über 4min abgenommen! Auf László konnte ich nur gut 2min gutmachen und er liegt immer noch 11:39min vor mir. Später entnehme ich der ausgehängten Liste, dass mein Vorsprung auf den AK-Vierten 25min beträgt. Das legt für mich nahe, mich morgen nicht mehr allzusehr zu schinden und den 3. Platz entspannt zu verteidigen. Auch dafür soll es bereits einen Freistart für den nächsten Balaton-Lauf geben! Ich könnte mir locker pace 5:25 erlauben, falls der 4. im selben Tempo wie bisher weiterläuft! - Als ich diese Gedanken mit H. aus Bad K. in Deutschland kommuniziere, bekomme ich böse eins auf's Dach und die Devise "ANGRIFF!!" ausgegeben. Der hat gut reden! Immerhin ist der Start morgen bereits um 8 Uhr (und nicht wie bisher immer erst nach 10) und heute Nacht auch noch Zeitumstellung (in die 'falsche' Richtung)! Wecker auf 5 Uhr (also gefühlt 4), Bus geht um 6:40h!


Tag 4
Die spannendste Frage für mich am frühen Morgen: Wie wird mein Verdauungstrakt mit dem geänderten Zeitregime heute umgehen? Ich möchte angesichts der Tabellensituation nicht unbedingt ein oder zwei Minuten unterwegs in den Büschen verbringen müssen. Hoffentlich gibt es im Startbereich etwas Grünland und Auslauf... Ja, Glück gehabt, den gibt es. Wir starten vom östlichen Ortsrand von Balatonfüred, wo gestern eigentlich auch das Ziel hätte sein sollen. Novum in der pre-race-Prozedur heute ist, dass die bisherigen drei Schnellsten der AKs vom Ansager aufgerufen werden (das kriege ich natürlich nur darüber mit, dass irgendwann auch mein Name fällt). Mein durchaus ernstgemeinter Plan, hier heute die Position nur noch zu verwalten, wird damit arg torpediert, denn nun stehen die "schnellen" Hunde (und Hündinnen!) alle ganz vorne vor dem Feld und als die Startfanfare ertönt, bleibt mir nichts übrig, als mich mit ihnen in Bewegung zu setzen. Es weht ein eiskalter Wind (wir haben ca. 5°) aus Nordost. Das bedeutet Gegenwind auf den ersten 20km, Seitenwind entlang der nordöstlichen Schmalseite des Sees zwischen Balatonfüzfö und Balatonakarattya (hübsche Namen, oder?) und Rückenwind im Endspurt auf den letzten 15km heim nach Siófok, wo exakt am Startpunkt des ersten Tages der Zielbogen stehen wird. Ich habe meine Hausaufgaben gemacht und Ärmlinge und die TGC-Weste dabei. Ich lasse alle vor: Zoltán, László, und die führenden zwei Damen, wobei ich mich frage, wie die zweite, Éva, in ihrem Spaghettiträger-Singlet und den nicht nur tighten, sondern grenzwertig kurzen pinken Shorts (kann sie aber durchaus tragen!) in dieser Kälte überleben will.

Ich laufe 'auf Sicht', also die 236 und die 305 immer in Reichweite. Solange das so bleibt, ist der 3. Platz nicht in Gefahr. Ich mache mich dabei nicht tot, aber es läuft auch nicht gerade von alleine und schon wieder muss ich diese erschreckende pace auf meiner Uhr sehen: 5:05 (hat das was mit meiner Startnummer zu tun? 4:65 ist ja immerhin auch 5:05!) - "Aschu, komm, lass sein, was soll der Unfug?" - "Aber H. hat doch gesagt ..." - "Ach, lass den doch, der hat gut reden und schlürft gerade seinen 2. Kaffee." - So geht das ein paar Kilometer lang, was nichts daran ändert, dass die 236 und die 305 immer noch 50m vor mir hergurken. Nur das rosa Höschen ist längst nach vorne enteilt (hatte ich die ganzen Tage zuvor ja auch nie gesehen). Rennleiter (versenyigazgató) Árpád kommt wie jeden Tag mehrmals auf seinem Motorroller vorbeigetuckert und schaut nach dem Rechten.

Bei km8 ist die 236 plötzlich ziemlich weit vor der 305, und ob ich will oder nicht, auch ich komme László kontinuierlich näher und überhole ihn schließlich. Seine Gesamterscheinung transportiert nur eines: Das dürfte heute hart für ihn werden, sehr hart. - Und ich sollte mir daher überlegen, ob ich anfangen möchte, an seinen 11:39min-Vorsprung ernsthaft zu knabbern. Was ist mit Zoltán, der 236? Hat er gestern bei seinem fulminanten Finish überzogen? Nicht unbedingt auszuschließen, denn ich bin ziemlich konstant durchgekommen, und vorher ist er auch die ganze 2. Etappe sehr gleichmäßig mit mir gelaufen. Kann er das auffangen? Aber auch er muss erstmal noch ca. 8min auf László gutmachen...  Zoltán hat Support durch seine Frau, die mit dem Auto unterwegs ist. Dieser Support beschränkt sich aber absolut auf das Reichen von Getränken und Gels an den VPs. Zoltán bleibt keine Sekunde stehen, und wenn ich über zähe Kilometer 50m auf ihn gut gemacht habe, sind die an den VPs wieder futsch, weil ich bei meiner Ernährungsstrategie bleibe, die u.a. das Auffüllen der Handflasche umfasst. Vom km13 bis 20 stehen wir voll im Wind, zudem geht es oft leicht bergauf. Er bleibt hinter mir, sehr nahe, will er meinen Windschatten saugen? Soll ich anfangen, mich darüber zu ärgern? Nein, nein, ich verbiete es mir. Das Ding hier wird bestimmt anders entschieden.

Ab km 22, als wir die äußerste nördliche Bucht des Sees hinter uns haben, ist endlich etwas Erholung angesagt. Seitenwind. Erstmals Sonne heute, eine Wohltat. Weste aus. Handschuhe aus. Es rollt leicht bergab. Sammeln. Essen. Trinken. Dann bald ein erster vergleichsweise scharfer Stich bei Balatonkenese hinauf auf die Uferterrasse, gefolgt von einem kaum laufbaren Steilstück bergab zurück zum See. Zoltán ist wieder hinter mir, nachdem er bei km25 schon endgültig nach vorn entschwunden zu sein schien. Dann der längste, steilste Hügel des ganzen Rennens hinauf zum VP bei km35 in Balatonakarattya (wir reden von albernen 50 Höhenmetern auf 500m Distanz, also immerhin 10% Steigung, die nach 170km mit durchschnittlich unter 1% wie eine Wand wirken). Ich laufe durch, aber im Schongang, sodass sich der Puls so wenig wie möglich erhöht. Ich höre nichts mehr von hinten. Ich dreh mich nicht um. Ich verpflege mich 'in Ruhe', nun doch ein flüchtiger Blick über die Schulter: keine Spur von Zoltán! Keine Euphorie jetzt hier bitte! Es sind noch 15km, auf denen kannst du 15mal sterben!

Was ist das da vorne? Ein rosa Höschen. Wird größer. Kommt näher. Bei km39 hole ich Éva ein und sie fragt mich freundlich auf Englisch, ob ich was dagegen hätte, wenn wir zusammen weiterlaufen würden. Nee, natürlich nicht, auf keinen Fall! Bloß: Warum hab ich sie eingeholt? Genau, weil ich (heute) schneller bin als sie. Und so bleibt das auch. Und nach einem gemeinsamen Kilometer, während dem ich ihr wohl gehörig Energie abgesaugt haben dürfte (so ist das meinem Gefühl nach wirklich oft, wenn zwei nebeneinander herlaufen: Einer gewinnt Energie auf Kosten des Anderen!), fällt sie endgültig zurück. Mein Marathon-Durchgang heute: 3:35h.


Ich renne jetzt wieder fast konstant unter 5er pace, teilweise sogar 4:45, ich segle mit Rückenwind! Es ist nicht mehr weit! Es ist eine spektaktuläre Szenerie: Ein weiter, gleichmässig geschwungener Uferbogen, wohl der schönste Abschnitt des ganzen Rennens. Wir laufen ca. 30 Höhenmeter oberhalb des Wassers, und ja, ich kann es schon sehen, das Ziel, das durch den wuchtigen Klotz des Hotels markiert wird. Der Rest ist jetzt überschaubar. Ich kann es jetzt laufen lassen. Gebe 90%. Den Rest brauche ich noch für die Rückreise (diesmal kein Liegewagen)!

Welcome to the machine - reloaded!


Ich komme unglaublicherweise in einer ähnlich guten Verfassung an wie nach der ersten Etappe. Ich bleibe diesmal einfach im Zielbereich stehen und schaue auf die digitale Rennuhr. Mindestens, allermindestens 3:30min müssen jetzt verstreichen, bevor die 236 in die Zielgasse einbiegen darf. Dann wäre ich mindestens Zweiter. Was mit László ist, steht in den Sternen. Ich kann jetzt Erster sein, Zweiter oder Dritter. Ich freu mir einen Ast über diese Spannung und Ungewissheit. Los, blöde Uhr, tick schneller!! - Da kommt Zoltán. Nach 3:30min. Ich fasse es nicht! Wir umarmen uns. Keiner weiß, wer jetzt hier um wieviele Sekunden vorne liegt. - Die Info kommt wieder prompt aus Bad K.: "Gratuliere, Platz 2! 28sek fehlen!" Mein erster Gedanke: Ich werde lieber auf diese Weise Zweiter als andersrum Erster. 28 Sekunden Differenz auf die Distanz von 193.3km in meiner Geschwindigkeit: Das entspricht nach meinen Berechnungen 91 Metern. - Und wenn wir schon aus diesem Anlass notgedrungen auf die Gesamtzeit schauen: Da stehen 16h27min - 18 Stunden hatte ich mir vor dem Lauf als Optimum ausgemalt (und Uli wiederholte während der Tage seine Forderung, dass ich 'baden gehen' müsse, sollte ich diese Marke unterbieten [dieser Plan {und somit nicht ich} ging am Ende dann doch 'leider' unter...]). Zufriedener kann man also kaum sein. In der Gesamtwertung bedeutet das den 16. Platz (von 202 Finishern) bei den Männern und (wie gewohnt) die '3. Frau'. - Nur ein klitzekleiner Zweifel bleibt: Musste diese 29sek-Pinkelpause am ersten Tag wirklich sein?

Eine ganze Etage im Hotel ist für die Läufer für's Umziehen und Duschen freigegeben, und ich zelebriere das ausgiebig. Wow, der ganze Aufriss, der letztlich auch finanziell nicht ganz unerheblich war, hat sich also gelohnt! Die Wartezeit bis zur Siegerehrung verbringe ich neben der Verabschiedung von Uli, Sandor und den radelnden Sachsen, die sich bereits auf die Rückreise machen, nicht zuletzt mit wirklich herzlichen Erörterungen zum Rennverlauf mit László und Zoltán. Einfach nette Typen! Bei der Zeremonie wird vernünftigerweise mit den Einzel-Komplettrunden-Läufern angefangen. Der Saal ist voll und es gibt viel Applaus. Neben einem hübschen, handlichen Pokal (der noch irgendwie in den Koffer passt) gibt es für mich tatsächlich Freikarten für den nächsten Balaton UND den Budapest-Marathon im Oktober (schon gebucht!).

das M/W50-59-Podest. Doch noch auf gleicher Höhe mit Zoltán

Ich gönne mir wieder ein Taxi zum Bahnhof. Und noch ein wohlverdientes Bier beim Warten auf den Express nach Kelenföld - in der freundlichen ungarischen Frühlingssonne. Gut, dass ich letztes Jahr nach dem vergleichbar erfolgreich verlaufenen Mauerweglauf nicht wirklich aufgehört habe - ich hätte was verpasst!